Therapie auf Abstand

Lockdown-Woche 5 ist geschafft. Wir sind gesund, der Lagerkoller greift aber so langsam um sich… Dennoch habe ich was Neues zu berichten: Ich hatte diese Woche meine erste Videotherapie-Einheit! Das fand ich echt spannend – nächste Woche geht’s weiter.

Die Schulschließung heißt für mich ja auch: Es finden keine Therapien statt – keine Physio- oder Ergotherapie, keine Logopädie. Denn die Therapien sind ja bei meiner Schule in meinen Studenplan integriert. Das heißt also: Ich habe bereits seit fünf Wochen keine Therapien mehr – was für mich echt unschön ist…

Damit ich nicht „einroste“ (um das mal weniger dramatisch zu umschreiben), haben sich meine Therapeuten was Spannendes einfallen lassen: die Therapie auf Abstand via Tablet. Das läuft ganz einfach über den zertifizierten Videodienst sprechstunde.online – draufklicken, den vorher zugeschickten Zugangscode eingeben, fertig!

Klar ist die Videotherapie was völlig anderes, als wenn meine Physiotherapeutin direkt mit mir Übungen macht. Aber so können wir uns zumindest weiterhin austauschen, Kontakt halten und auch kleinere Dehnübungen oder andere Sachen besprechen. Ich fand das jedenfalls echt spannend. Eine gute Idee – gerade weil ja noch unklar ist, wie es in meiner Schule weitergeht…

Wenn Leopoldina spricht

Na, habt Ihr Corona-Geplagten heute auch das Leopoldina-Papier gelesen? Ich tippe mal, das waren heute die 19 meistgelesenen pdf-Seiten im Internet… Und: Ist Euch auch was aufgefallen dabei??? Richtig! In der gesamten Stellungnahme tauchten nicht einmal Begriffe wie Behinderung oder Inklusion auf. Bingo!

Ich werde ja nicht müde, immer wieder von uns „Unerhörten“ zu sprechen und darauf hinzuweisen, dass es uns auch noch gibt – auch wenn es einige nicht mehr hören können und denken „Die schon wieder – die nervt…“ Aber in der hitzigen Corona-Debatte, wann welche Altersstufen wieder zur Schule gehen sollen, ob es eine Mundschutzpflicht gibt oder nicht etc. fällt mir wieder mal auf: Keiner hat uns auf dem Schirm! Und offenbar auch nicht die 26 Leopoldina-Wissenschaftler.

Dabei sind viele gute und richtige Ansätze in dem Papier. Z.B. in der Warnung, dass Familien an ihre Belastungsgrenzen kommen, je länger der Shutdown anhält; dass Familien nach außen hin unsichtbar (oder in meinen Worten „unerhört„) bleiben; dass einige gesellschaftliche Gruppen besonders gefährdet seien, „weil sie über weniger Macht oder Ressourcen verfügen, um sich am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen und ihn in ihrem Sinne zu beeinflussen„.

Da ist unser Problem wieder: Wir haben keine Lobby, niemand sieht uns, über uns – geschweige denn mit uns! – wird kaum gesprochen…

Die Leopoldina-Wissenschaftler betonen aber, dass für Risikogrupen unbedingt Hilfs- und Unterstützungsangebote bereitgestellt werden müssen. Zudem sehen die Wissenschaftler die – berechtigte! – Gefahr, dass sich die anfängliche Welle der Solidarität in eine „Schwächung der Zivilgesellschaft“ umkehrt und lehnen eine „vorbeugende Segregation einzelner Bevölkerungsgruppen (…) allein zu deren eigenem Schutz als paternalistische Bevormundung“ ab. Richtig so!

Ich glaube, was in der gesamten Debatte fehlt, ist der berühmte Blick durchs Schlüsselloch. Wie ergeht es uns Familien mit einem behinderten Kind nach mehr als vier Wochen Shutdown? Was bedeuten die ganzen Argumente für und wider eine Schulöffnung oder der Mundschutzpflicht?

Wenn unsere Förderschule weiterhin geschlossen bleibt (ich befürchte ja bis zum Ende des Schuljahres), dann stoßen wir sehr bald an unsere Grenzen. Wer entlastet Mama und Papa bei meiner Rund-um-die Uhr-Pflege? Macht meine Schule vielleicht doch früher auf und die Erzieher, Heilpädagogen und Therapeuten müssen einen Mundschutz tragen, heißt das für mich wiederum: Panik! Ich reagiere schon total panisch und hyperventiliere, wenn Papa oder Mama eine Mütze tragen. Ein Mundschutz bringt mich völlig aus dem Konzept und knockt mich regelrecht aus. Schule wird dann undenkbar für mich…

Das ist nur ein klitzekleiner Blick durch „mein“ Schlüsseloch – der aber zeigt, wie besonders, individuell und verschieden die Herausforderungen sind. Es gibt keine „Musterlösung“ – stattdessen müssen flexible und individuelle Unterstützungsangebote gefunden werden. Aber um diese zu finden, muss man auch miteinander sprechen und nicht über uns hinwegsehen…

Ich werde jedenfalls weiter meine Stimme (über Mama und Papa) erheben – in der Hoffnung, dass auch Leopoldina-Wissenschaftler die mal hören… 😉

Frohe Abstands-Ostern

Euch allen – gerade in diesen Zeiten – frohe Ostern! Auch wenn die Feiertage irgendwie unwirklich sind mit so viel Abstand. Umso mehr freue ich mich über die Postkarten-Flut, die mich erreicht hat! Vielen lieben Dank an alle! Das war mein und unser Oster-Highlight!!! 🙂

So viele tolle Karten – wenn ich da nicht weit vorne liege in der „Postkarten-Challenge„… Vielen lieben Dank!!!

Das tolle Wetter am Ostersonntag hat ja ein wenig darüber hinweg geholfen, dass derzeit alles anders ist. Jetzt sind wir auch ganz gespannt, was die Politik in der kommenden Woche entscheidet. Wobei wir uns darauf einstellen, dass meine Schule in diesem Schuljahr nicht mehr öffnen wird. Schließlich ist es eine Förderschule mit Kindern, die zur Risikogruppe gehören…

Wie auch immer – ich würde mir aber eines sehr wünschen: Es wäre toll, wenn Familien wie wir – also Eltern, die ein schwerst mehrfachbehindertes Kind zuhause pflegen – nicht schon wieder „unerhört“ bleiben und wieder durchs Raster fallen! Daher mein Appell an Politik und auch Medien: Hallo, uns gibt es auch noch – bitte nicht vergessen!!! Daher gut, dass z.B. die Tagesschau oder der SPIEGEL wieder aktuell berichten und auf „uns“ aufmerksam machen…