Die unerhörten Eltern

Papa hat vor ein paar Tagen ein Interview gelesen, das er sehr beeindruckend fand – und sehr zutreffend auch auf uns. In dem Interview ist die Rede von den „unerhörten Eltern“. Ein passender Begriff, der auch auf uns bzw. Mama und Papa zutrifft.

Die Sozialpädagogin und Theologin Sabine Schäper spricht in dem taz-Interview darüber, warum Eltern behinderter Kinder sich irgendwann alleine fühlen, „unsichtbar“ und somit „unerhört“ werden. Warum unser Gesellschafts- und Sozialsystem nicht im Blick hat, wie und wo behinderte Menschen leben und wohnen können. Ihre zentrale Botschaft ist: „Ich glaube, dass Eltern bis heute vermissen, dass die Gesellschaft sagt: Wir stehen zu euch.“ Wie Recht sie hat…

Auch wir merken, dass wir zunehmend isolierter werden. Je älter ich werde, desto beschwerlicher wird es für uns, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Es fehlt an inklusiven Begegnungsräumen – und zwar überall. Ich bin auf keinen Kindergeburtstagen; habe keine Schulfreunde, mit denen ich mich treffe; bin nicht in einem Sportverein o.ä.

Ich bin froh und dankbar, dass ich meine Buddys habe, die für viel Entlastung zuhause sorgen, damit Mama und Papa mal durchschnaufen können. Aber sichtbar am gesellschaftlichen Leben teilnehmen? Das wäre schön – passiert aber nicht, weil die Rahmenbedingungen dafür nicht vorhanden sind…

Zentrales Thema für Mama und Papa ist bereits: Wo werde ich künftig wohnen? Eine selbstbestimmte WG wäre toll – aber auch da warten jede Menge Hürden, Aufgaben, Schwierigkeiten und somit viel Aufwand auf uns.

Fakt ist: Darauf zu warten, dass sich gesellschaftlich was ändert, ist die falsche Entscheidung. Denn das wird nicht so schnell passieren. Also sind wir gefragt anzupacken und die Hürden zu überspringen… mal wieder…

Danke jedenfalls für dieses Interview – davon sollte es viel mehr geben…

UPDATE: Am 5. und 6. März hat in Münster eine interessante Tagung stattgefunden zum Thema, wie Menschen mit Behinderung im Alter leben wollen. Dabei ging es um das Forschungsprojekt MUTIG der Katholischen Hochschule NRW (KatHO NRW), des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und des Landesverbandes Lebenshilfe NRW. Mehr dazu hier.

Kolumne „Wer bist Du?“

Ab und zu gebe ich hier ja mal ein paar Lesetipps. Okay, ich gebe zu – die kommen nicht vor mir, sondern immer von Mama und Papa. Dennoch: Wer sich für meinen Blog interessiert, der/die interessiert sich bestimmt auch für dieses Interview, das im aktuellen ZEITmagazin zu finden ist – beeindruckend…

„Florian Jaenicke fotografiert seinen Sohn Friedrich von Geburt an. Mit seiner Bilderserie will er zeigen, wie sich das Leben mit einem schwerstbehinderten Kind anfühlt.“

Das Interview und die Bilder haben Mama und Papa sehr bewegt. Friedrich ist 2 Jahre älter als ich; auch er hatte einen Sauerstoffmangel unter der Geburt, was eine schwere Hirnschädigung zur Folge hatte. Die Parallelen zu mir sind deutlich zu erkennen.

In dem Interview und seinen Bildern lässt Florian Jaenicke einen tiefen Blick in seine Gefühlswelt, seine Gedanken, seine Hoffnungen, seine Wünsche, seine Sorgen, seine Ängste zu. Mama und Papa können sich in so vielen seiner Aussagen so sehr wiedererkennen…

Auch dieses bewegende Interview und die wöchentliche Kolumne „Wer bist Du?“ im ZEITmagazin trägt dazu bei, mehr Verständnis füreinander zu entwickeln. DANKE, Florian Jaenicke! Liebe Grüße an Dich, Deine Frau und vor allem an Friedrich!